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FM - Wahrnehmung
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aon gmbh – academy of neuroscience
1. Einführung
Unter Wahrnehmung wird sowohl der Prozess der Aufnahme von sensorischer Information und der
Verarbeitung von Signalen aus der Umwelt und dem Inneren des Körpers als auch das Resultat dieser
Informationsverarbeitung verstanden. Tiere und Menschen nehmen die Umwelt über Sinnesorgane wahr
(Exterozeption). Zudem verfügen sie über die Fähigkeit zur Wahrnehmung von Schmerz, Stellung und
Bewegungen des Körpers (Propriozeption). Die meisten sensorischen Eingänge nehmen wir Menschen
als Empfindungen wahr, dazu gehören Sehen, Hören, Berührungen, Riechen, Schmecken und Schmerz-
empfindungen. Aus der Gesamtheit der Empfindungen - ihrer Lokalisation und ihren Eigenschaften -
konstruiert jeder Mensch individuell sein Bild von der Welt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Wahr-
nehmungen keine präzisen Abbilder der Außenwelt, sondern vielmehr Abstraktionen bzw. Konstruktionen
sind. Dies ist darin begründet, dass das Nervensystem entsprechend seiner Möglichkeiten und Regeln
aus einem Reiz nur bestimmte Informationen extrahiert und im Kontext früherer (individueller) Erfahrungen
interpretiert und abspeichert. So nehmen wir auf ein bestimmtes Muster an Schallwellen beispielsweise
Sprache oder Musik wahr. Elektromagnetische Wellen (Licht) unterschiedlicher Wellenlänge interpretieren
wir als Farben. Hervorzuheben ist, dass aber nicht längst alle sensorischen Informationen zur Ebene des
Bewusstseins vordringen. Es muss festgehalten werden, dass Farben, Geräusche, Geschmack, Geruch,
etc. mentale Konstrukte des Gehirns sind.
Der Prozess von der Reizung von Sinneszellen bis zur Umsetzung in Empfindungen ist eine analytische
Höchstleistung, welche das Nervensystem vollbringt. Sie beginnt mit der Transformation des Reizes in
den Sinnesrezeptoren, die über die Körperoberfläche oder im Körperinneren verteilt sind. Die Rezeptor-
zellen sind über sensorische Fasern mit dem Zentralnervensystem verbunden, welches nach dem Ana-
lyseprozess eine interne Repräsentation der externen physikalischen oder chemischen Reize konstruiert.
Unter dem Begriff
interne Repräsentation
ist in diesem Zusammenhang das Aktivitätsmuster einer
Population von funktionell miteinander verknüpften Neuronen zu verstehen ist. Wie zu zeigen sein wird,
läuft der Analyseprozess sowohl hierarchisch-seriell als auch parallel ab. So werden im Sehsystem Farbe,
Form und Bewegung in getrennten Bahnen verarbeitet, ebenso das Körperempfinden (Tast-, Tempe-
ratur- und Schmerzsinn). Nach welchen Prinzipien die (Re-)Konstruktion tatsächlich abläuft ist gerade im
Hinblick auf die Parallelverarbeitung noch weitgehend unverstanden.
1.1 Sinnesmodalität, Intensität, Lokalisation
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