FM - Wahrnehmung
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aon gmbh – academy of neuroscience
Bereits die Brodmann-Areale 1 und 2 unterscheiden sich in der Komplexität ihrer Antworten von denen
der Areale 3a und 3b. So sind beispielsweise die Neuronen des S1 im Gegensatz zu denen aus den
Arealen 1 und 2 nicht sensitiv für die Richtung einer Berührung der Haut. Im hinteren Scheitellappen
finden sich Areale mit noch komplexeren Antworteigenschaften, die durch Zusammenlaufen weiterer
sensorischer Information konstituiert werden. Entsprechend komplex sind auch die Auswirkungen von
Läsionen in diesen Arealen. So tritt bei einer solchen Schädigung z.B. eine Funktionsstörung auf, die als
Agnosie bezeichnet wird. Darunter versteht man die Unfähigkeit, Objekte zu erkennen, obwohl basale
sensorische Fähigkeiten erhalten sind. Beim Neglect-Syndrom wird ein Teil des Körpers oder der Umwelt
nicht mehr wahrgenommen.
5.2 Der Schmerzsinn
Die Empfindung von Schmerz ist einerseits abhängig von der Aktivierung von Nozizeptoren, die sich an
der Körperoberfläche und im Körperinneren befinden. Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen von
schwach myelinisierten Aδ- und C-Fasern, die durch eine Verletzung oder anderweitige Schädigungen
von Geweben (extreme Temperaturen, Chemikalien, Sauerstoffmangel) aktiviert werden. Sie besitzen
Ionenkanäle, die durch die genannten Reizarten geöffnet werden. Zudem kann das umgebende Gewebe
selber Substanzen freisetzen, die das Öffnen der Ionenkanäle induzieren. Hierzu gehören z.B. Bradykinin,
Histamin, ATP oder K
+
-Ionen.
Aδ- und C-Fasern besitzen aufgrund ihrer unterschiedlichen Durchmesser verschiedene Leitungs-
geschwindigkeiten. Aδ-Fasern liefern die Information schneller ins Gehirn bzw. Rückenmark als die C-
Fasern. Erstere vermitteln den ersten, stehenden Schmerz, letztere den darauf folgenden, länger
andauernden dumpfen Schmerz. Die Schmerzfasern aus den Körperregionen ziehen ebenfalls über die
Hinterwurzel in das Rückenmark ein. Dort verzweigen sie sich in der sogenannten Lissauer-Zone und
bilden in der Substantia gelatinosa Synapsen mit Zellen im äußeren Teil des Hinterhorns (Abb. 5.7). Der
Transmitter ist Glutamat, das mit dem Neuromodulator Substanz P ko-lokalisiert ist. Bei hohen
Aktionspotentialsfolgen wird dieser Neuromodulator ebenfalls aus der Präsynapse freigesetzt, was für
stärkere Schmerzempfindungen die Voraussetzung ist.
Die spinothalamische Schmerzbahn verläuft vom Rückenmark über den ventral verlaufenden spino-
thalamischen Trakt zum Gehirn. Im Gegensatz zur Hinterstrangbahn überkreuzen die Axone der ersten
Relaisstation direkt in dem Segment, in das die nozizeptiven Eingänge projizieren. Ohne weitere Verschal-
tung erreichen die Axone des spinothalamischen Trakts den Thalamus. Dort terminieren sie in einem
Gebiet des VP, ohne mit den Afferenzen des Tastsinns zu überlappen. Zudem terminieren Fasern auch in