Grundlagen der Neurowissenschaften - page 6

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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
1.
Die Geschichte der Gehirnforschung
Kaum ein anderes Organ fasziniert uns heute so sehr wie das menschliche Gehirn. Unter allen bekannten
Strukturen gilt das menschliche Gehirn als die komplexeste Struktur. Das Wissen um unser Gehirn hat
eine sehr lange und wechselvolle Geschichte hinter sich, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Noch
immer gibt es viele unbeantwortete Fragen, noch immer gibt uns unser Gehirn zahlreiche Rätsel auf.
In diesem Kapitel erfahren Sie die wichtigsten Meilensteine der Gehirnforschung, angefangen von der
Urgeschichte der Menschen bis hin zum aktuellen Forschungsstand des 21. Jahrhunderts.
Aus heutiger Sicht mögen uns manche historischen Ansichten skurril, manche Theorien sogar als völlig
falsch erscheinen. Wir dürfen dabei jedoch nicht außer Acht lassen, dass sich Wissen im Laufe der Zeit
verändert. Wer kann schon sagen, wie Forscher in 100 oder 1.000 Jahren über unsere heutigen
„Wahrheiten“ urteilen werden?
1.1
Die Urzeiten
Schädelfunde aus dem frühen Ägypten belegen, dass bereits vor 5.000 Jahren operative Eingriffe am
menschlichen Schädel vorgenommen wurden. Das so genannte Papyrus Edwin Smith gehört zu den
ältesten Schriftdokumenten, in denen über medizinische Heilverfahren der alten Ägypter berichtet wird. Es
wurde ca. 1550 v. Chr. verfasst und ist vermutlich eine Abschrift einer noch deutlich älteren Quelle. In
diesem Papyrus werden unter anderem Behandlungsmethoden von Kopfverletzungen beschrieben.
Allerdings war das Gehirn für die alten Ägypter ein unwichtiges Organ. Als Sitz des Fühlens und Denkens
galt das Herz – nicht das Hirn. Letzteres wurde vor dem Einbalsamieren kurzerhand aus dem Schädel
entfernt und weggeworfen. Alle für das Weiterleben wichtigen Organe wurden einzeln mumifiziert und in
Tongefäße, sogenannte Kanopen gelegt. Bisher wurde nicht eine einzige Kanope mit einem Gehirn
entdeckt.
1.2
Die Antike
Alkmaion von Kroton, Diogenes von Appolonia und Demokrit gelten als die ersten Gehirnforscher
Griechenlands. Alkmaion von Kroton nahm schon um 500 v. Chr. Gehirnsektionen sowohl an Toten als
auch an Lebenden vor und soll dabei als erster Wissenschaftler die Sehnerven und andere sensorische
Nerven entdeckt haben. Er ging davon aus, dass Nerven hohl seien und sich darin ein Medium befände,
das eine Sinneswahrnehmung zum Gehirnleitet.
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