Grundlagen der Neurowissenschaften - page 10

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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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Der französische Philosoph René Descartes (1596-1650) schloss daraus, dass das Herz nichts weiter als
eine Art Pumpstation sei, und folgerte weiter, dass auch das Gehirn lediglich eine komplex aufgebaute
Maschine sei, die u.a. Reflexe und vegetative Funktionen steuere. Gefühle, bewusste Wahrnehmungen,
Denken und willentliche Handlungen hingegen seien das Ergebnis einer unsterblichen und immateriellen
Seele, deren Sitz Descartes in der Zirbeldrüse annahm, die wiederum mit dem Körper interagiere.
Descartes war also ein Vertreter des Dualismus. Manche Forscher spekulieren jedoch, dass Descartes,
der ja ansonsten überzeugter „Mechanist“ war, diesen Dualismus nur propagierte, um der Inquisition der
katholischen Kirche zu entgehen. Bereits damals hielten viele zeitgenössische Anatome die Annahmen
und Vermutungen von Descartes für spekulativ und unrealistisch. Dennoch hatte Descartes einen
bleibenden Einfluss auf die Gehirnforschung.
Mitte des 17. Jahrhunderts bildete sich in Oxford eine Forschergruppe mit dem Namen "Virtuosi". Zu die-
ser Gruppe zählten u.a. Richard Lower, Robert Boyle, Christopher Wren und Thomas Willis.
Thomas Willis (1621-1675) sezierte in dieser Zeit viele Tiere und Menschen und veröffentlichte 1664 sein
Werk "Cerebri anatome", das mit vielen realistischen Zeichnungen von Christopher Wren bestückt war
und sofort zum Standardwerk der Anatomie des Nervensystems und der cerebralen Blutgefäße
aufstieg. Willis prägte viele wissenschaftliche Fachbegriffe wie z.B. "Neurologie" und er betrachtete
Geisteskrankheiten als organische Krankheiten des Gehirns.
Andere interessante Entdeckungen dieser Zeit gehen auf den deutschen Franciscus Sylvius (auch
Franciscus de la Boe Sylvius, 1614-1672) zurück. Er beschrieb die große seitliche Fissur an der
Hirnoberfläche und die Verbindung zwischen dem dritten und vierten Ventrikel. Beide Hirnstrukturen sind
noch heute nach ihm benannt.
1.6
Das 18. Jahrhundert
Mit den Mikroskopen des 18. Jahrhunderts waren Vergrößerungen zwar nur begrenzt möglich, dennoch
gelang es dem Italiener Felice Fontana (1730-1805), erstmals Fasern im Gehirn zu beschreiben. Man
erkannte jedoch bis ins späte 19. Jahrhundert nicht die Verbindung zwischen diesen Fasern und den
„ganglionischen Körpern“, die sich später als Nervenzellkörper herausstellten.
Ebenfalls zu dieser Zeit kam die Idee auf, dass Nerven auf Basis der Elektrizität funktionieren. Erste
Belege, die diese Idee bestätigten, lieferte Luigi Galvani (1737-1798) in seinen 1791 veröffentlichten
Untersuchungen an Froschschenkeln.
Diese Erkenntnis war zwar revolutionär, doch standen viele Wissenschaftler dieser Idee sehrt kritisch
gegenüber. Erst als Alexander von Humboldt im späten 18. Jahrhundert die Experimente von Galvani
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