Grundlagen der Neurowissenschaften - page 14

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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
der Theorie der chemischen Wachstumsfaktoren, die die Nerven während ihrer Entwicklung an ihren
vorgesehenen Endpunkt leiten. Den Beweis für einen solchen Wachstumsfaktor lieferte Rita Levi-
Montalcini in den 1950er Jahren und erhielt hierfür 1986 den Nobelpreis.
Einen Quantensprung in der Gehirnforschung löste die Entwicklung der bildgebenden Verfahren aus. Mit
der in den 1970er Jahren entwickelten Magnetresonanztomographie (MRT) war es nun möglich,
Schnittbilder des lebenden Gehirns anzufertigen. Ebenfalls zu einer zentralen Methode der
Gehirnforschung entwickelte sich die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), mit der indirekt
der Aktivitätsgrad von Hirnarealen sichtbar gemacht werden konnte. Bei dieser Methode werden die
unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften von sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut genutzt
und in MRT-Bildern sichtbar gemacht.
Messungen mittels MRT und EEG dokumentieren lediglich die stoffwechselphysiologischen bzw.
elektrophysiologischen Aktivitäten der untersuchten Hirnareale. Eindeutige Kausalzusammenhänge
zwischen Änderungen der Hirnleistung und Änderungen der Hirnfunktion lassen sich mit diesen
Methoden jedoch nicht beschreiben. Dies gelingt jedoch, wenn man das Gehirn eng umgrenzten
Magnetfeldern aussetzt, durch die elektrische Ströme induziert werden. Mittels dieser Transkraniellen
Magnetstimulation (TMS), die erstmals 1985 von Anthony Barker beschrieben wurde, kann die Aktivität
von Hirnarealen gezielt manipuliert werden.
Zu den spektakulärsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts zählen die so genannten Spiegelneurone.
Sie wurden 1996 von Giacomo Rizzolatti und seinen Mitarbeitern entdeckt, als sie im prämotorischen
Cortex von Makaken Zellen fanden, die aktiv wurden, wenn ein Affe eine Handlung selbst durchführte, als
auch, wenn ein Affe einem anderen Affen bei derselben Handlung lediglich zuschaute. Die Entdeckung
der Spiegelneurone ist die Grundlage einer ganzen Reihe von Theorien geworden, die menschliche
Eigenschaften wie Empathie, emotionale Intelligenz oder soziale Kompetenz zu erklären versuchen. Ob
es sich bei Affen und Menschen um dieselben Typen von „Empathie-Neuronen“ handelt, oder ob es sich
bei Menschenaffen und Menschen um eine Neubildung handelt, ist heftig umstritten.
Im Jahre 2000 wurden drei Wissenschaftlern für ihre Arbeiten zu den chemischen Abläufen an den
Synapsen der Nobelpreis für Medizin und Physiologie verliehen. Der Schwede Arvid Carlsson (* 1923)
hatte die Funktion des Neurotransmitters Dopamin aufgedeckt. Der US-Amerikaner Paul Greengard (*
1925) hatte die genaue Abfolge von Reaktionen erforscht, die die Wirkung von Dopamin ausmachen.
Und Eric Kandel (* 1929) hatte molekulargenetische und zelluläre Mechanismen der synaptischen
Plastizität und ihre Bedeutung für Lern- und Gedächtnisprozesse entdeckt.
1.9
Das 21. Jahrhundert
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen vor allem methodische Weiterentwicklungen im Mittelpunkt der
Neurowissenschaft. Um z.B. die Konzentration der verschiedenen Substanzen im Gehirn messbar zu
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