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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
2.
Aufbau und Strukturen der Nervenzelle
Ein Gehirn gleicht in gewisser Weise einer Schaltzentrale, in der unzählige Prozesse gleichzeitig
koordiniert und verrechnet werden. Signale, die von den Sinnesorganen eingehen sowie Informationen
über den aktuellen Zustand des Körpers werden dort ebenso bearbeitet wie willentliche Entscheidungen
und unwillentliche Reaktionen auf bestimmte innere und äußere Reize. Die Leistungskapazität unseres
Gehirns übertrifft jeden bisher gebauten oder geplanten Computer bei weitem.
Damit diese vielen unterschiedlichen Informationen überhaupt bearbeitet werden können, müssen sie
irgendwie transportiert werden. Diese Aufgabe übernehmen die Nervenzellen, auch Neuronen (oder
„Neurone“) genannt. Sie kommen überall in unserem Körper vor und bilden ein fein verzweigtes Netz, das
bis in die kleinsten Winkel hineinreicht. Unser Gehirn enthält 60-100 Milliarden Neuronen, die auf eine
komplizierte Weise miteinander verknüpft sind. Das menschliche Gehirn ist daher das komplexeste uns
bekannte Organ, das die Natur hervorgebracht hat.
Doch bevor wir uns dem Gehirn zuwenden, betrachten wir zunächst seinen kleinsten Baustein, das
Neuron, etwas genauer. Wenn wir verstehen, wie ein Neuron arbeitet, können wir leichter nachvollziehen,
wie neuronale Schaltkreise funktionieren, und letztlich auch, wie ein Gehirn arbeitet.
Schauen wir uns also ein Neuron etwas genauer an. Auch wenn Nervenzellen in den unterschiedlichsten
Formen und Größen vorkommen, so bestehen sie doch normalerweise aus drei deutlich
unterscheidbaren Teilen: dem Zellkörper (oder Soma), den Dendriten sowie dem Axon (bzw. mehreren
Axonen), das sich verzweigt und in zahlreiche Endknöpfchen mündet. Es gibt aber auch viele
Nervenzellen, die kein Axon haben – sog. Interneurone, und die über ihre Dendriten ihre Erregungen an
andere Nervenzellen weitergeben. Diese Form der Übertragung bezeichnet man als dendro-dendritische
Erregungsübertragung)
Beginnen wir mit der Zusammensetzung und den Bestandteilen des Zellkörpers.
2.1
Der Zellkörper
Im Prinzip enthält eine Nervenzelle dieselben Grundbestandteile wie jede andere lebende Körperzelle
auch. Die meisten dieser Bestandteile befinden sich im voluminösen Abschnitt des Neurons, dem Soma.
Jede Körperzelle, also auch jedes Neuron, ist umhüllt von einer sogenannten Bio- oder Zellmembran; sie
stellt die äußere Begrenzung einer Zelle dar. Diese Zellmembran umschließt eine gelartige, wässrige
Masse, die als Cytosol bezeichnet wird. Das Cytosol besteht zu ca. 80% aus Wasser, zu ca. 10% aus
Proteinen (Eiweißstoffen), zu ca. 5% aus Lipiden (Fetten), zu ca. 1% aus Nucleotiden, und die restlichen