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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
sich die nächsten Natrium-Kanäle öffnen. Wieder strömen Natrium-Ionen ein und öffnen weitere Kanäle.
Auf diese Weise pflanzt sich bei einem unmyelinisierten Axon (!) das Signal weiter fort (bei einem
myelinisierten Axon geschieht dies an den Ranvier’schen Schnürringen). Da sich die Kanäle also nach
einem Alles-oder-nichts-Prinzip öffnen, ist auch ein Aktionspotenzial eine Alles-oder-nichts-Antwort. Ein
Neuron „feuert“, oder aber es „feuert“ nicht.
Durch den nur kurz andauernden Einstrom von Natrium-Ionen befinden sich an dieser Stelle plötzlich auf
der Membran-Innenseite mehr positive Ionen als auf der Außenseite, und das Membranpotenzial ändert
sich von ursprünglich minus 70 auf 30-50 Millivolt, ein Prozess, der als Depolarisation bezeichnet wird.
Diese plötzliche Veränderung des Membranpotenzials führt nun zur Öffnung der spannungsgesteuerten
Kaliumkanäle, und Kalium-Ionen strömen aus der Zelle aus. Nach weniger als einer Millisekunde schließen
sich die Natriumkanäle selbsttätig und, auf Grund des kontinuierlichen Ausstroms von Kalium-Ionen,
beginnt nun die Repolarisation der Membran.
Da sich die Kaliumkanäle nach ungefähr zwei Millisekunden beim Erreichen des Ruhepotenzials von
minus 70 Millivolt jedoch nur langsam wieder schließen, strömen zu viele Kalium-Ionen aus dem Neuron
und es entsteht für ungefähr zwei Millisekunden eine kurzfristige Hyperpolarisation der Membran, ehe das
Membranpotenzial über spezielle Kalium-Kanäle wieder seinen Ausgangswert von minus 70 Millivolt
erreicht. Diese drei aufeinander folgenden Phasen eines Aktionspotenzials, nämlich Depolarisation,
Repolarisation und Hyperpolarisation, entstehen durch das Öffnen und Schließen der
spannungsgesteuerten Natrium- und Kalium-Kanäle.
Diese hier beschriebenen Prozesse finden innerhalb weniger Millisekunden innerhalb eines winzig kleinen
Areals nahe an der Membran statt. Das bedeutet, dass im Vergleich zur Gesamtzahl der Ionen innerhalb
und außerhalb des Neurons tatsächlich nur sehr wenige Ionen wandern. Und diese wenigen Ionen haben
so gut wie keinen Einfluss auf die gesamte Ladungsverteilung innerhalb und außerhalb der
Nervenmembran. Das Ruhepotenzial an diesem kleinen Areal wird durch zwei Mechanismen schnell
wieder hergestellt: Einerseits vermischen sich durch zufällige Bewegungen (die sogenannte Brownsche
Molekularbewegung) sowohl auf der Membranaußenseite als auch auf der Membraninnenseite die
verschiedenen Ionensorten miteinander, wodurch die lokal begrenzten Ansammlungen von Kalium- und
Natrium-Ionen wieder „verdünnt“ werden, und andererseits sorgen Natrium-Kalium-Pumpen, zusammen
mit speziellen Kaliumkanälen, die im Anschluss an die Hyperpolarisation der Membran aktiv werden,
dafür, dass die beiden Ionensorten wieder auf die „richtige“ Membranseite transportiert werden.
3.2.2
Die Refraktärzeit
In den ersten ein bis zwei Millisekunden der Depolarisation kann kein zweites Aktionspotenzial ausgelöst
werden. Diese Zeitspanne wird als absolute Refraktärzeit bezeichnet. Direkt im Anschluss folgt die relative
Refraktärzeit, in der zwar ein neues Aktionspotenzial ausgelöst werden kann, der auslösende Reiz aber
deutlich stärker sein muss als normal. Die Refraktärzeit ist für die Signalleitung eines Neurons von
entscheidender Bedeutung, denn dadurch, dass ein Axon-Abschnitt, über den soeben ein
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