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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
Arbeit Energie, nämlich für jeden Prozessdurchlauf ein Molekül ATP. Diese Pumpen sind einer der Gründe
dafür, warum Neuronen zu den Zelltypen gehören, die überdurchschnittlich viel Energie verbrauchen.
Schon im Ruhezustand verbraucht deshalb das menschliche Gehirn etwa zehnmal so viel Energie, als
ihm von seinem Volumen her zukäme, nämlich 30%. Im Aktivitätszustand erhöht sich der Verbrauch noch
erheblich.
Als Folge der Pumpentätigkeit enthält die Flüssigkeit, die ein Neuron direkt umgibt, ungefähr zehnmal so
viele Natrium-Ionen wie die Flüssigkeit in der Zelle. Umgekehrt ist die Konzentration der Kalium-Ionen in
der Zelle rund vierzigmal so hoch wie in der umgebenden Flüssigkeit. Die Zellmembran ist jedoch für
Kalium-Ionen nicht völlig undurchlässig, und so wandern viele von ihnen aus der Zelle wieder aus. Für
Natrium-Ionen hingegen ist die Membran fast undurchlässig. Insgesamt herrscht auf der Innenseite einer
Nervenzellmembran ein Überschuss an negativer Ladung und auf der Außenseite ein Überschuss an
positiver Ladung. Außerhalb der Zelle ist die Konzentration an negativ geladenen Chlorid-Ionen deutlich
höher als im Zellinneren, dafür befinden sich in der Zelle wiederum deutlich mehr negativ geladene
Proteine als in der Umgebungsflüssigkeit. Eine Nervenmembran trennt also zwei Flüssigkeiten mit
unterschiedlicher Ionen-Zusammensetzung voneinander.
Es entstehen nun zwei gegenläufige Kräfte: Die osmotische Kraft strebt einen Ausgleich der
verschiedenen Ionen-Konzentrationen auf der Innen- und Außenseite der Membran an, und die
elektrotonische Kraft treibt den Ausgleich der Ladungsunterschiede auf den beiden Membranseiten an.
Konzentrationsgradient und Ladungsunterschied erzeugen jeweils Kräfte, die gegenläufig über die
Membran wirken. Daraus resultiert eine Spannung, die als Membranpotenzial bezeichnet wird.
Im Ruhezustand beträgt die Spannung ungefähr minus 70 Millivolt. Später werden wir uns mit dem
Membranpotenzial noch detaillierter auseinandersetzen.
3.1.3
Die Ionenkanäle
Neben den Natrium-Kalium-Pumpen gibt es noch eine zweite Gruppe von Membranproteinen, die für die
Funktionalität der Nervenzellen unabdingbar ist. Es ist die Gruppe der Kanalproteine. Wie die
Bezeichnung bereits vermuten lässt, handelt es sich dabei um Proteinkomplexe, in deren Zentrum sich
eine röhrenartige Öffnung befindet. Je nach Durchmesser und Beschaffenheit dieser Röhre lässt sie
bevorzugt bestimmte Substanzen hindurch. In Nervenmembranen kommen Natriumkanäle und
Kaliumkanäle vor, die hauptsächlich Natrium- bzw. Kalium-Ionen passieren lassen. Diese Kanalproteine
kommen in besonders hoher Zahl in der Membran des Axons vor (bis zu Tausend Kanäle pro
Quadratmikrometer), bei den myelinisierten Axonen vornehmlich am Axonhügel und an den
Ranvier’schen Schnürringen; sie finden sich aber auch in allen anderen Membranabschnitten eines
Neurons. Im Ruhezustand sind die Kaliumkanäle nach außen hin und die Natriumkanäle nach innen hin
geschlossen, so dass die durch die Pumpen erzeugten Konzentrationsunterschiede der beiden Ionen
zwischen der Innen- und der Außenseite der Membran aufrecht erhalten bleiben. Verringert sich an einer
Stelle der Membran die Spannungsdifferenz zwischen der Innen- und der Außenseite, so öffnen sich dort