Grundlagen der Neurowissenschaften - page 25

BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
Aktionspotenzial gelaufen ist, refraktär ist, kann das Signal nicht zurücklaufen. Aufgrund der Refraktärzeit
wird ein Signal also immer nur in eine Richtung gelenkt.
Grundsätzlich übersetzt jede Nervenzelle die Reizstärke in eine Signal-Frequenz, das heißt, je stärker ein
Reiz ist, desto größer ist die Frequenz der Aktionspotenziale. Bei einer normalen Reizung beträgt die
maximale Frequenz auf Grund der relativen Refraktärzeit ca. 500 Hertz, also 500 Aktionspotenziale pro
Sekunde. Bei einer kontinuierlichen starken Stimulation kann ein Neuron wieder direkt nach der absoluten
Refraktärzeit feuern und erreicht ein Maximum von 1.000 Herz, also von 1.000 Entladungen pro Sekunde.
3.2.3
Die Leitungsgeschwindigkeit
Erinnern wir uns an die Myelinisierung von Axonen: Schwann-Zellen (peripheres Nervensystem) und
Oligodendrocyten (Zentralnervensystem) können die Axone mit einer segmentierten Myelinscheide
umhüllen und an diesen Stellen von der umgebenden Flüssigkeit, der Extrazellulärflüssigkeit, isolieren.
Zwischen den Myelin-Segmenten liegen die unbedeckten Ranvier Schnürringe. Nur an diesen Stellen
kann ein Ionen-Austausch zwischen innen und außen stattfinden. Bei Neuronen mit myelinisierten Axonen
befinden sich daher auch genau an diesen Stellen besonders viele Natriumkanäle und wenige Kalium-
Kanäle. Wenn nun ein Neuron in der Nähe des Axonhügels vor einem Myelinsegment ein Aktionspotenzial
erzeugt, dann wird dieses Signal unter dem Myelinsegment passiv weitergeleitet, ähnlich dem
elektrischen Strom in einem Stromkabel. Die passive Weiterleitung ist wesentlich schneller als die über die
Ionenkanäle vermittelte aktive Weiterleitung, allerdings schwächt sich das Signal mit der zurückgelegten
Strecke immer weiter ab. Es ist aber noch stark genug, um die spannungsgesteuerten Natriumkanäle im
nächsten Ranvier Schnürring zu öffnen, wodurch wieder ein neues, voll ausgebildetes Aktionspotenzial
entstehen kann. Auf diese Weise „springt“ das Signal von einem Schnürring zum nächsten. Daher spricht
man auch von saltatorischer Erregungsleitung.
Die Leitungsgeschwindigkeit eines Axons hängt von zwei Faktoren ab: der soeben beschriebenen
Myelinisierung und vom Durchmesser des Axons. Je dicker ein Axon, desto schneller kann es ein
Aktionspotenzial weiterleiten. Motoneurone von Säugetieren (das sind Neurone, die die Skelettmuskulatur
innervieren) sind beides: sie sind dick und myelinisiert. Motoneurone von Katzen können Signale mit einer
Geschwindigkeit von bis zu 100 Metern pro Sekunde übertragen. Das entspricht 360 Kilometer pro
Stunde! Menschliche Motoneurone schaffen „nur“ 60 Meter pro Sekunde (216 Kilometer pro Stunde).
Dünne, unmyelinisierte Axone leiten Aktionspotenziale mit einer Geschwindigkeit von ungefähr einem
Meter pro Sekunde (3,6 Kilometer pro Stunde).
Zum besseren Verständnis soll an dieser Stelle noch einmal erwähnt werden, dass ein solches Signal das
Axon entlang läuft und dann in alle, also in Tausende von Endknöpfchen mündet. Und mit den
Prozessen, die dort ablaufen, beschäftigen wir uns im Folgenden.
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