Grundlagen der Neurowissenschaften - page 47

BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
entstehen aus ganz unterschiedlichem embryonalem Material, aber aufgrund derselben „Steuergene“).
Alles noch ziemlich rätselhaft.
Ob Neuronen und Nervensysteme nun unabhängig voneinander oder aber allesamt aus einem einzigen
Ur-Neuron und einem Ur-Nervensystem entstanden sind, oder ob im Laufe der Evolution beide Varianten
umgesetzt worden sind, müssen zukünftige Forschungen klären. Erstaunlich ist jedenfalls beim Vergleich
zwischen früh und spät entstandenen Systemen, dass überall bestimmte Entwicklungstrends zu
erkennen sind. Die räumliche Organisation der Neuronen wurde – im Sinne des Wortes – in Bahnen
gelenkt. Die Verteilung der Neuronen wurde symmetrischer. Die Anzahl der Neuronen-Typen und der
„Begleitzellen“ nahm zu. Es erfolgte eine Neuronen-Konzentrierung am Kopfende. Bestimmte
Neuronengruppen übernahmen vermehrt rein integrative Funktionen.
Werfen wir abschließend einen kurzen Blick auf die Gehirne einiger Wirbeltiere. Auch wenn der
Grundbauplan bei allen Wirbeltieren identisch ist – in diesem Fall sind ja tatsächlich alle Wirbeltiere
miteinander verwandt – so stellt man zwischen den einzelnen Spezies charakteristische Unterschiede
fest. Bei „Fischen“ (d.h. Neunaugen, Knorpel- und Knochenfischen) beispielsweise sind die einzelnen
Hirnabschnitte gut erkennbar hintereinander angeordnet. Beim Frosch erkennt man bereits eine
Vergrößerung des Vorderhirns. Bei Vögeln sind neben dem Telencephalon das Kleinhirn und das Tectum
opticum stark vergrößert; das Kleinhirn ist an der Orientierung und Bewegung im dreidimensionalen
Raum, das Tectum opticum an der Verarbeitung visueller Informationen beteiligt. Beim Alligator sind die
Riechnerven stark vergrößert. Bei Säugetieren ist das Großhirn nochmals stark vergrößert und überdeckt
die meisten Komponenten des Zwischenhirns und Hirnstamms. Um bereits an dieser Stelle einem
etablierten Missverständnis vorzubeugen: Der Furchungsgrad der Großhirnrinde korreliert nicht, wie
häufig behauptet wird, mit der kognitiven Leistung eines Tieres, sondern mit dessen körperlicher Größe.
Alle großen Säugetiere haben einen stark gefalteten Neocortex.
Bei genauerer Betrachtung findet man zwischen den Gehirnen der einzelnen Spezies zahlreiche
Unterschiede, auch in den inneren Strukturen. Bestimmte Areale haben sich weiter differenziert und es
sind neue Funktionen hinzugekommen. In den meisten, jedoch nicht in allen Fällen, korrelieren derartige
strukturellen und funktionellen Veränderungen mit der Lebensweise der jeweiligen Spezies. Das
komplexeste Gehirn besitzt der Mensch, zumindest auf unserer Erde, und mit diesem werden wir uns nun
auseinandersetzen.
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