Grundlagen der Neurowissenschaften - page 57

BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
Diese Bezeichnung entstand im Zusammenhang eines inzwischen als überholt geltenden
Evolutionsmodells, nach dem sich die verschiedenen Cortexbereiche angeblich nacheinander entwickelt
haben. Heute gilt als gesichert, dass im Laufe der Evolution Vorläufer aller drei Teile des Cortex zur
gleichen Zeit entstanden sind. Die Begriffe Cortex cerebri (oder cerebraler Cortex) und Isocortex werden
häufig gleichgesetzt und mit Großhirnrinde übersetzt. Diese Gleichsetzung ist jedoch wegen der
unterschiedlichen Anzahl der Rindenschichten in Iso- und Allocortex nicht gerechtfertigt.
Das von außen betrachtet Auffälligste sind die Furchungen der Großhirnrinde, die, bis auf wenige
Hauptstrukturen, bei jedem Menschen etwas anders aussehen – sie sind eine Art neuronaler
Daumenabdruck. Der Isocortex ist bei Säugetieren mit kleinen Gehirnen lissencephal, das heißt, die
Oberfläche der Rinde ist glatt, da die Furchung eine Folge der Größenzunahme ist. Beim Menschen und
anderen Säugetieren mit großem Gehirn erkennt man deutliche Erhebungen und Furchen. Große Furchen
werden Fissurae genannt (im Singular Fissura), kleine nennt man Sulci (im Singular Sulcus). Die
Erhebungen heißen Gyri (im Singular Gyrus). Die größte Furche trennt die linke von der rechten
Hemisphäre, die Längsfurche oder Fissura longitudinalis cerebri. Verbunden werden die beiden Hälften
durch drei querverlaufende Faserbündel, die cerebralen Commissuren. Die größte, mit bloßem Augen
erkennbare Commissur ist das Corpus callosum, der Balken. Außerdem gibt es noch die Commissura
anterior und die Commissura posterior. Auf jeder Hirnhälfte können zwei weitere Hauptfurchen identifiziert
werden, der dorsal liegende Sulcus centralis und der medial liegende Sulcus lateralis. Sie unterteilen jede
Hemisphäre in vier Lappen: den Frontal- oder Stirnlappen, den Parietal- oder Scheitellappen, den
Temporal- oder Schläfenlappen und den Occipital- oder Hinterhauptslappen. Der Sulcus centralis trennt
zwei der größten Gyri voneinander, den anterioren Gyrus praecentralis, der den primären motorischen
Cortex enthält, und den posterioren Gyrus postcentralis mit dem primären somatosensorischen Cortex.
Am dorsalen Rand des Temporallappens erkennt man einen weiteren prägnanten Gyrus, den Gyrus
temporalis superior, der den auditorischen Cortex enthält.
Im Querschnitt wird der Isocortex in sechs Schichten unterteilt, die als Laminae bezeichnet und
fortlaufend von außen nach innen mit römischen Ziffern versehen werden. Die Schichten sind durch
unterschiedliche Zusammensetzungen bestimmter Neuronentypen gekennzeichnet. Charakteristisch für
den Isocortex sind zwei Zelltypen, die Pyramidenzellen als Ein- und Ausgangszellen und Interneuronen
oder lokale Schaltzellen unterschiedlicher Art. Der Zellkörper der Pyramidenzellen ist dem Namen
entsprechend geformt und seine Spitze zeigt immer in Richtung der Cortexoberfläche. Pyramidenzellen
sind efferente, glutamaterge Neurone. Die Mehrheit der Interneurone bilden glatte und dornenbesetzte
Sternzellen. Die Interneurone sind zwar nicht im selben Maße charakteristisch für den Cortex, kommen
aber dort sehr zahlreich vor. Sie vermitteln zwischen corticalen Neuronen.
Die einzelnen Laminae unterscheiden sich außer in der Komposition der Zelltypen auch in der Zelldichte
und in der Schichtdicke. In bestimmten Hirnarealen verändert sich die Dicke bestimmter Laminae; so ist
die Lamina IV im Bereich des sensorischen Cortex, und die Schicht V im Bereich des motorischen Cortex
besonders dick. Bezüglich der Architektur der Laminae fällt besonders die vertikale Orientierung der
meisten Axone und Dendriten auf; diese Baustruktur ist die Grundlage für das Modell der
Kolumnenorganisation des Neocortex. Neurone, die Bestandteil einer vertikalen Kolumne sind, bilden
häufig eine Funktionseinheit.
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