Grundlagen der Neurowissenschaften - page 38

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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
Augen versorgt. Plattwürmer sind vermutlich die ältesten Tiere, die ein hierarchisch gegliedertes
Nervensystem besitzen.
Das Nervensystem der Ringelwürmer (Annelida) lässt sich schematisch aus dem der Plattwürmer
ableiten. Die beiden ventralen, bauchseitigen Längsstränge wurden verstärkt, während die sechs anderen
abgebaut wurden. Zusätzlich wurden die Nervenzellen in Bauchmarkganglien konzentriert. Die paarig
angelegten Ganglien sind durch jeweils zwei Konnektive miteinander verbunden, so dass dieser Bauplan
von oben betrachtet wie eine Strickleiter aussieht – und so heißt diese Variante eines Nervensystems
denn auch Strickleiternervensystem. Und wie bereits die Plattwürmer besitzen auch die Ringelwürmer ein
Gehirn.
Insekten (Insecta oder Hexapoda) bilden mit den Spinnentieren und den Krebstieren die bei weitem
artenreichste Tiergruppe, nämlich den Stamm der Arthropoden oder Gliederfüßer. Der Grundbauplan
ihres Nervensystem ähnelt dem der Ringelwürmer, auch wenn beide Baupläne nach neuen Erkenntnissen
unabhängig voneinander („konvergent“) entstanden sind, nämlich zwei Bauchmarkstränge, die in jedem
Körpersegment ein Ganglion, also eine dichte Ansammlung von Neuronen, aufweist. Im Brustbereich sind
einige Ganglien zu drei großen paarigen Nervenknoten, den Brustganglien, verschmolzen. Sie versorgen
die Beine und, falls vorhanden, auch die Flügel. Das Gehirn der Insekten ist, entsprechend dem
Leistungsgrad ihrer Sinnesorgane und dem umfangreichen Repertoire ihrer Verhaltensweisen,
vergleichsweise groß und komplex. Es wird unterteilt in das Oberschlundganglion (bestehend aus dem
Protocerebrum, dem Deutocerebrum und den Tritocerebrum) und dem Unterschlundganglion. Dem
Oberschlundganglion entspringt nach vorn ein Nervenpaar, das sich in einem Frontalganglion vereint,
dem Zentrum des stomatogastrischen Nervensystems, einem Teil des vegetativen Nervensystems der
Insekten.
Der Stamm der Weichtiere (Mollusca) weist eine gewaltige Vielfalt neuronaler Systeme auf. Manche
Systeme sind nicht viel komplexer als die von Plattwürmern, andere, wie die von Tintenfischen, gehören
zu den komplexesten Nervensystemen unter den Wirbellosen. Der Grundaufbau des
Zentralnervensystems der Mollusken besteht aus fünf Ganglienpaaren, die meist um den Schlund herum
angeordnet und miteinander verbunden sind.
Man unterscheidet Zerebral-, Bukkal-, Pleural-, Pedal- und Abdominalganglien, die durch kleinere
Ganglien ergänzt werden können. Von diesem Schlundring ziehen vier Längsstränge in den Körper (diese
Organisation wird Tetraneurie genannt). Der Grundbauplan kann bei den verschiedenen Arten stark
modifiziert werden, indem die Position der Ganglien verändert wird, und indem Ganglien miteinander
verschmolzen werden. Bei Kopffüßern wie dem Tintenfisch sind die Hauptganglien zu einem Gehirn
zusammengelegt und, ähnlich einem Schädel, durch eine Knorpel-Kapsel geschützt. Die Arme und die
Muskulatur der Haut sind stark innerviert. Die Augen und die mechanischen Sinnesorgane sind hoch
entwickelt und erfordern daher ein leistungsfähiges neuronales Verarbeitungssystem. Auffallend ist
außerdem ein großes Lern- und Erinnerungsvermögen, zu dem das große und komplexe Gehirn etwa
des Kraken Octopus in der Lage ist.
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