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BM – Grundlagen der Neurowissenschaften
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aon gmbh – academy of neuroscience
6.3
Funktionen einiger Areale
Innerhalb eines kompakten, komplex vernetzen Systems einzelnen, definierten Arealen bestimmte
Leistungen und Funktionen zuzuordnen, ist ein schwieriges Unterfangen. Kompliziert wird ein solches
Vorhaben auch aus dem Grunde, dass bestimmte Leistungen erst durch die Kooperation mehrerer
Strukturen zustande kommt. Tierversuche sowie krankheits- und unfallbedingte Hirnschäden waren lange
Zeit die einzigen Informationsquellen. Ausgefallene und nur noch unvollständige Hirn-Leistungen wurden
mit den defekten, zerstörten oder fehlenden Hirnarealen in einen ursächlichen Zusammenhang gesetzt:
Wenn die Leistung X ausfällt und das Hirnareal Y geschädigt ist, so muss im gesunden Gehirn das Areal
Y die Leistung X hervorbringen. Auch heute sind die Untersuchungen bestimmter Erkrankungen noch
immer sehr hilfreich. So tragen die Erforschungen der Parkinson-Krankheit, der Chorea Huntington und
des Ballismus viel zu unseren heutigen Erkenntnissen über die Funktionsweise der Basalganglien bei.
Inzwischen kann man aber auch dank einer Reihe moderner Untersuchungsmethoden die
Funktionsweise gesunder Gehirne erforschen. Bildgebende Verfahren wie die fMRT (funktionelle
Magnetresonanztomografie) sind sehr hilfreich, bergen jedoch das Risiko einer Überinterpretation.
Bei dieser Methode werden im Gehirn Veränderungen des Sauerstoffgehalts in den Blutgefäßen oder die
Menge des Blutstroms gemessen und in farbige Pixel übersetzt. Da der Sauerstoffgehalt des Blutes mit
dem Sauerstoffverbrauch der aktivierten Neurone indirekt zusammenhängt, werden also die
Aktivitätszustände der Neuronen indirekt erfasst. Es lassen sich dabei aber nicht erregende und
hemmende Neuronen voneinander unterscheiden. Die bei einer fMRT gemessenen Signale sind also
lediglich indirekte Signale und somit auch lediglich indirekte Informationen über den Aktivitätszustand der
einzelnen Gehirngebiete.
Die folgende Auflistung gibt einen groben Überblick über die wichtigsten Leistungen der einzelnen
Hirnbereiche:
Myelencephalon
Zusammen mit der Formatio reticularis, die hier beginnt, kontrolliert das Nachhirn grundlegende
autonome Funktionen wie Herzfrequenz, Lungenaktivität und Verdauung, außerdem die Blasenentleerung
sowie einige Reflexe wie den Brechreflex, Gähnen, Husten, Niesen und Schlucken. Die Formatio
reticularis hat dabei die Funktion eines Hirnschrittmacher, die verschiedene Subsysteme miteinander
koordiniert, und sie kontrolliert den Wachheitszustand der Großhirnrinde.
Metencephalon
Das Hinterhirn ist ebenfalls an der motorischen Steuerung beteiligt. Es steuert die Aufrechterhaltung des
Muskeltonus und des Gleichgewichts, die Blutzirkulation. Außerdem befinden sich hier zahlreiche
Relaisstationen. Das Cerebellum ist für die Feinabstimmung unbewusster und zeitlich strukturierter
Bewegungsabläufe zuständig und ist hierüber auch an kognitiven Prozessen wie Denken und Sprache
beteiligt.