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FM - Wahrnehmung
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aon gmbh – academy of neuroscience
Abb. 2.2 d
Der Geschmacksforscher Kikunae Ikeda untersuchte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Geschmacks-
qualität, die weder als salzig noch als süß, bitter oder sauer beschrieben werde kann. Ikeda fand heraus,
dass diese Geschmackskomponente durch Glutamat (Glutaminsäure, eine Aminosäure) beigesteuert
wird. Glutamat ist Bestandteil vieler Nahrungsmittel und von Fonds, Extrakten und Würzen. Besonders
hohe Glutamatkonzentrationen findet man in reifen Tomaten, Spargel, Käse, Fleisch sowie in der
menschlichen Muttermilch. Der angenehme Umami-Geschmack dient vermutlich der Aufnahme von
Proteinen. Für die Transduktion des Umami-Geschmacks besitzen Geschmackszellen Rezeptoren, die
denen für den Süßgeschmack ähneln, es handelt sich um T1R1 und T1R3. Die Transduktions-
mechanismen in den Umami-empfindlichen Zellen entsprechen denen der Süßrezeptorzellen (Abb. 2.2 c).
Der scharfe Geschmack von Chilis, Paprikas oder Pepperonis (Gattung: Capsicum) resultiert aus der
Wirkung der Substanz Capsaicin (CPS) auf sensorische Schmerzfasern im Mund. Scharfer Geschmack
ist damit eine Schmerzempfindung und wird nicht durch die eigentlichen Geschmackszellen vermittelt.
Die sensorischen Schmerzfasern enthalten Ionenkanäle, die für die Detektion von Hitzeschmerz ausgelegt
sind. Diese Kanäle öffnen bereits bei Temperaturen über 43-45° C - einer Temperatur, die gewebe-
schädlich sein kann. Bei Öffnung dieser Hitze-gesteuerten Kanäle fließen Kationen in die Schmerzfaser
und depolarisieren sie. Das führt zur Aktivierung spannungsgesteuerter Na
+
-Kanäle und zur Ausbildung
von Aktionspotentialen - ein Schmerzsignal erreicht das Gehirn. Die Hitze-gesteuerten Kanäle können
aber auch bei normalen Temperaturen (37° C) durch Bindung von Capsaicin geöffnet werden. Sie werden
daher als Capsaicin-Rezeptoren bezeichnet. Die Geschmacksempfindung "scharf" (englisch: "hot")
entsteht also durch die Vortäuschung einer Verbrennung: Capsaicin erzeugt ein Schmerzsignal, das dem
Gehirn kritisch hohe Temperaturen im Mund vorgaukelt (s. auch Kapitel 5).