FM-Wahrnehmung - page 56

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FM - Wahrnehmung
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aon gmbh – academy of neuroscience
großen Auslenkung des Haarbündels in Richtung der größten Stereocilien ziehen die ‘tip links’ an den
Kanälen, die dadurch geöffnet werden. Bei einer entgegengesetzten (negativen) Auslenkung werden die
‘tip links’ entlastet und die Kanäle schließen (Abb. 4.5 a). Bei sehr lauten Schallereignissen werden die
Stereocilien sehr weit ausgelenkt, und die Zelle könnte leicht in ihre Sättigung geraten. Man glaubt
Hinweise gefunden zu haben, dass die Verankerungspunkte der ‘tip links’ an der größeren Stereocilie
nicht starr sind, sondern ihren Ort verändern können. Bei einer weiten Auslenkung könnten die
Anheftungsstellen in der Cilienmembran nach unten gleiten und der Arbeitsbereich der Haarzelle an den
höheren Schalldruck adaptieren (Abb. 4.5 a).
Kaliumionen aus der extrem K
+
-reichen Endolymphe diffundieren bei geöffneten Kanälen entlang der
Potentialdifferenz in das Innere der Haarzellen und lösen die Depolarisation aus (Abb. 4.5 b). Durch diese
wiederum werden spannungsabhängige Calcium-Kanäle geöffnet, in das Zellinnere strömende Calcium-
Ionen verstärken die Depolarisation. Die höhere intrazelluläre Ca
2+
-Konzentration aktiviert Ca
2+
-sensitive
K
+
-Kanäle in der basolateralen Membran durch die K
+
-Ionen die Zelle wieder verlassen, da das
extrazelluläre Milieu an der Basis der Haarsinneszellen K
+
-arm ist. Spannungsabhängige Kalium-Kanäle
öffnen sich ebenfalls und verstärken die Repolarisation. Das Calcium verlässt durch die Wirkung von
Ionenpumpen die Zelle oder wird von den Mitochondrien aufgenommen. Damit wird der ursprüngliche
Zustand wieder hergestellt und die Zelle kann in einen erneuten Erregungszyklus eintreten. Das Calcium
hat für innere und äußere Haarzellen unterschiedliche Bedeutung: bei den inneren Haarzellen triggert es
die Freisetzung des Transmitters an den afferenten Synapsen, bei den äußeren Haarzellen löst es
Längen- und Formänderungen aus (s.u.). Damit kommen den beiden Haarzelltypen fundamental
unterschiedliche Funktionen zu: die inneren Haarzellen sind hauptsächlich an der eigentlichen
Schallperzeption beteiligt, die Rolle der äußeren Haarzellen wird im Folgenden beleuchtet.
4.7 Der cochleäre Verstärker
Es war schon von Békésy klar, dass die passive Wanderwelle ein sehr breites Schwingungsmaximum
aufwies und dass damit die hohe Frequenzauflösung des Ohres nicht hinreichend erklärt werden konnte.
Daher nahm man lange Zeit an, dass Codierungseigenschaften der Hörnervenfasern und die
nachgeschalteten neuronalen Verarbeitungsschritte die Auflösung drastisch steigern würden. Zwei
Beobachtungen führten schließlich zu einer veränderten bzw. ergänzten Hypothese der Schallwandlung
im Innenohr. Zum einen entdeckte man, dass das Ohr bei Beschallung mit einer geringen
Phasenverschiebung ein ‘Echo’ generiert. Diese otoakustischen Emissionen können mit geeigneten
Mikrophonen und Messverstärkern im Gehörgang aufgezeichnet werden. Eine Erklärung für dieses
Phänomen fand sich zunächst nicht. Zum anderen konnte durch extrem empfindliche Messmethoden
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